Die Burg ruft

Text: Falko Herbig

Es ist eigentlich nichts Neues. Am 2. Januarwochenende ist eben das Wintertreffen auf Schloss Augustusburg, wie schon 31 mal vorher auch. Nur gab es dieses Jahr die Wiederbelebung einer alten Tradition. Ein Mitglied des MC Görlitz e.V., nennen wir ihn Andreas Feist, hat sich zum Fahrtleiter befördert und folgende Aufgabe gestellt:
Erfrage am 11. Januar ab 07:00 Uhr telefonisch oder per Internet ein Codewort, besorg dir eine Quittung deines Startortes, fahre in Richtung Augustusburg, such dir dort oder wo auch immer, Orte aus, dessen Anfangsbuchstaben besagtes Codewort bilden. Das Problem, beim Abfahren der Orte musste ein Kreis von mind. 50km Durchmesser entstehen in dem sich auch noch die Burg zu befinden hatte. Wer nicht länger als 9 Stunden ( 50 ccm = 10 Stunden) brauchte und dabei den weitesten Weg zurück legte, hatte gewonnen. Basta!
So bei der Ehre gepackt, trafen sich u.a. 6 Verrückte des MC Görlitz am 11. Januar 07:00 Uhr bei -5°C an einer Tankstelle in Görlitz/Schlauroth. Einer von ihnen zückte das Handy, der nächste das Kartenmaterial und der Rest musste erst mal mit sich selbst inīs Reine kommen (da war ich dabei). Das Codewort lautete "FAHRT". Es wurden Strategien entwickelt.
Punkt eins: wir fahren auf direktem Weg zur Burg und ziehen erst dann den besagten Kreis. Ein Hoffnungsschimmer tat sich auf, denn da konnte ichīs mir ja noch ca. 160 km lang überlegen was ich denn will; diesen Wahnsinn mitmachen oder lieber direkt auf die Burg zum Glühwein.
Und jetzt gehtīs los. Das Tankstellengelände erbebte unter den drei bulligen 50ccm-Einzylinder-Zweitakt-Boliden, einem TS250-Gespann und einem Oldtimer, einer "Ahoi" (125 ccm, 4,1 PS). 15 km später die Ernüchterung, die Zusammensetzung des Fuhrparks war doch nicht ganz optimal. Also ließen wir ( 2x S50, ein Roller) das schnellere Gespann ziehen und die "Ahoi" allein ihren (kürzesten) Weg zur Burg finden. Die ersten Etappen hießen Dresden und dann Freiberg ( das "F"). Dort dann die zweite Ernüchterung, dieses mal für das Gespann, die 50iger waren schon da !!! Der Zeitplan war gut, also wurde für das "A" Aue ausgewählt.
Ich hatte noch eine Gnadenfrist für meine Entscheiden; kneifen oder kämpfen. Dann kam der alles entscheidende Wegweiser "Augustusburg 18km". Ich wollte kämpfen. Bei dem Wetter keine allzu schwere Entscheidung, Sonnenschein, -2°C und eine Winterlandschaft wie auf Postkarten. Der Rest ist schnell erzählt. Vollgas, Aue, Quittung besorgen, Vollgas, Hohenstein-Ernstthal, Quittung besorgen, Vollgas, Rochlitz, Quittung besorgen. Verzweiflung! Wo ist jetzt ein Ort mit "T" in dem auch eine Quittung zu besorgen war? Kurz vor Döbeln die erste Erleichterung. Die Ansiedlung nannte sich Töpeln, 4 Häuser, 3 Spitzbuben und keine Kirche. Wo jetzt einen offiziellen Stempel o.ä. her bekommen? Die Suche nach einem Handwerksmeistern war nicht von Erfolg gekrönt. Dann ein einsamer Lieferwagen auf der Dorfstrasse, sich ihm in den Weg werfen und unser Anliegen vortragen war eine Entscheidung von Sekunden. Der Mann forderte uns auf ihm zu folgen, öffnete einen büroähnlichen Raum und förderte tatsächlich einen Stempel zu Tage. Zwar noch aus DDR-Zeiten, aber ein Stempel. Es bedurfte keiner großen Erklärungen. Sein Kommentar: " Bei meinem Nachbarn waren vor kurzem auch so ein paar Verrückte." Der Mann hatte recht. Nun aber haste was kannste im Kamikazeflug Richtung Augustusburg. Wir haben es geschafft. 15 min vor Ablauf der Zeit waren wir auf dem Schlosshof. Jetzt noch die letzte Prüfung bestehen, die da hieß: wo ist denn nun der Fahrtleiter ...
Er hat uns doch noch gefunden! Oder wir ihn?!
Warum ich mit einem 50ccm-Roller statt der ca. 180 km nun unbedingt knapp 400 km fahren musste, soll mir mal ein Anderer erklären.
Es gab beim 32. Wintertreffen auf Schloss Augustusburg allerdings noch andere Fragen, die sich nicht nur mir stellten.
- Warum muss ich, trotz gebuchten Platz in der Jugendherberge, noch mal 3.- Euro Eintritt bezahlen um überhaupt zur Herberge zu kommen?!
- Warum muss ich bei knapp 50.- Euro Übernachtungskosten in einem (eis-)kalten Schlafsaal liegen?
- Warum gibt es bei so einem traditionellen Treffen nun mittlerweile überhaupt kein Rahmenprogramm (mehr) ?!

Nach meiner Geschichte nun der sportlich-sachliche Teil.
An dieser ersten ,wiederbelebten, Rallye nahmen 8 Fahrzeuge teil. Drei davon waren, zumindest dem ersten Anschein nach, hoffnungslos untermotorisiert. Das dies nicht von Nachteil sein muss ist unschwer den Platzierungen zu entnehmen.
Denn es gab zwei Möglichkeiten reichlich Kilometern zu machen. Entweder mit Köpfchen über Land- und Nebenstrassen oder mit der Brechstange auf der Autobahn, die zwar höhere Geschwindigkeiten zuließ aber auch einen größeren "Kilometerschwund" mit sich brachte, denn ausschlaggebend war die, mittelst eines Routenplaners, vom Fahrtleiter berechnete kürzeste Verbindung zwischen den nachgewiesenen Anfahrtspunkten. Leider hatte sich ein Teilnehmer das Codewort aus dem Erläuterungsbeispiel im Internet ( www.Zweirad-Rallye.de) "besorgt" und dieses, mit viel Fleiß und Kampfgeist, in Kilometer umgesetzt. Auch ihm gilt meine uneingeschränkte Anerkennung, denn die Leistung ist die gleiche.

Fazit: Die Idee ist gut.
Acht Fahrer sind ein (neuer) Anfang.
Das Reglement lässt (vielleicht) sogar noch verbessern.

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